Hochdruck-Kugelgasbehälter

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Diese zwei Hochdruck-Kugelgasbehälter sind eine Seltenheit. Der erste genietete Behälter, mit einem Fassungsvermögen von 4.000 cbm, wurde 1932 als erster in ganz Deutschland erbaut. Der zweite geschweißte Behälter 1962. Und so stellen sie ein einmaliges technisches Ensemble dar und dürfen nun, da sie als Vorratsbehälter ausgedient haben, als industrielles Denkmal weiter existieren.
Quelle: www.gasundwasser-bethel.de

Die Kugelform verlangte bei der erforderlichen Grösse des bestimmten Gasvolumens den geringsten Aufwand an Mittlen, sie bietet gegenüber der altgewohnten, üblichen Behältern die grösste Betriebssicherheit, was in bebauten Teilen einer Stadt so wertvoll ist. Die Gefahr aus Luftangriffen für einen solchen Behälter ist – zumal bei der Gestaltung einer Kugel von Stahlblech – um so geringer, je mehr er selbst durch die nächste Umgebung – z.B. durch Busch- und Baumwuchs – getarnt ist.

Auf diesem Gebiete des Gasbehälterbaues tritt uns  als ein besonders bemerkenswertes und kühnes Ingenieurbauwerk, das schon wegen Ausmass und Neuheit besonderes Interesse beanspruchen darf, der Hochdruckkugelgasbehälter in Bethel bei Bielefeld entgegen, der im Jahre 1931/32, im Rahmen der Gesamtpläne der Westfälischen Ferngas-A.-G. (W.F.G.), Dortmund, für die Gasheizung der Bethel-Anstalten zur Reservespeicherung von Gas von der Firma Aug. Klönne in Dortmund nach ihrem Entwurf in einer bisher noch nirgends ausgeführten Grösse, mit 19,70 m Durchmesser und mit 5 atü Behälterdruck bei einem geometrischen Inhalt der Kugel von 4000 m2, zur vollen Zufriedenheit der Beteiligten ausgeführt wurde.

Der Zsuammenbau des Behälters nebst Stahlunterbau wurde nach allen Vorbereitungen in der Werkstatt und nach Vollendung des Massivbaues und des Fundamentes im Spätherbst 1931 (2. Oktober 1931) begonen, im milden Winter 1931/32 fortgeführt und im Mai 1932 beendet. Bei der Montage wurde mit einem aussenstehenden Schwenkmast von 25 m Länge und mit einem Karusselkran gearbeitet, der im Unterpol (abgespannter Mittelmast) und teils ausserhalb derseben stand, sowie ca. 2 m über dem Oberpol hinausreichte. Die untere Hälfte der Kugel wurde ausschliesslich mit dem Schwenkmast montiert, welcher die einzelnen Bleche aus Sonderbaustahl vom Anfuhrwagen nahm und sie zum Einbau führte. Der obere Teil der Halbkugel wurde – mit Hilfe eines Innen-Gerüstes – von dem Karussellkran eingebaut, der mit seinem ringsherum laufenden Teil die Bleche heben und verbauen konnte. Nach diesem Zusammenbau wurde die ganze Abnietung durchgeführt, z. T. von Hängegerüsten aus; die Niete deroberen Kugelhälfte wurden von aussen, die der unteren Hälfte von innen geschlagen.

Die Einteilung der Blechhaut, welche nicht ohne Grund einem genähten Lederfussball ähnelt (Information zur Entstehung des Designs darf ich leider veröffentlichen), die eine neue Eigenart der Kugelbehälter darstellt, ist so gewählt, das eine möglichst geringe Nietenlänge bei denkbar grossen oder möglichst gleichen Abmessungen der Bleche sich ergibt, dass das Gewicht der Kugel auf ein Minimunm beschränkt und Fehlerquellen für Gasundichtigkeiten zum äussersten vermieden werden; d. h. es ist die Oberfläche der Kugel in sechs gleich grosse Flächen aufgeteilt, von denen jede aus acht Blechen besteht. Von diesen acht Blechen haben vier diesselbe Grösse und Form, so dass für den ganzen Behälter 48 Bleche in zwei Grössenausmassen von je 24 Stück Verwendung fanden.

Der Behälterbau wurde im Mai 1932 vollendet (Abnahme). Die Hauotdruckprobe (Festigkeitsprüfung) konnte am 19.04.1932 beginnen, woran sich später die andere Druckprobe (Dichtigkeitsprüfung) anschloss. Die Proben wurden unter Aufsicht der zuständigen Behörden und Spezialfachleute sehr eingehend durchgeführt. Der Behälter steht seit dem 22. Juli 1932 ununterbrochen als Gasreserve betriebsfertig unter Druck.
Quelle: Der Hochdruck-Kugelgasbehälter in Bethel, Sonderdruck aus “Der Bauingenieur” Jahrgang 1935

1975 wurden beide Behälter vom Netz genommen.

Auf dem neueren der beiden Behälter stehen folgende Angaben:

Behälter Nr.: 3529
Baujahr: 1962
Füllgut: Ferngas
Geom. Inhalt: 1436 m3
Betriebsdruck: 10,o atü
Max. Betriebstemperatur: +50 °C

[Fotos aus dem Jahr 2011]


 

Fünf Jahre später besuchte ich, ebenfalls im Winter, die historischen Kugelgasbehälter erneut. Die Sonne stand tief, hatte aber noch einen zart goldenen Schimmer, der zusammen mit der kühlen Winterfarbe einige wunderschöne Lichteffekte auf den rostigen Stahl warf. Dazu kam der, durch Resublimation von Wasserdampf zu Eis an den Oberflächen, zarte Reif. Wundervoll, wie der Stahl in der Sonne glitzert. Verändert hat sich hier zum Glück nicht viel. Einige vorher verschlossene Teile der alten Behälter wurden aufgebrochen. An dem 1962er Kugelgasbehälter hat ein verdrogter Teenager psychedelische Farbschmierereien hinterlassen.

[Fotos aus dem Jahr 2016]

7 Antworten auf Hochdruck-Kugelgasbehälter

  1. Schulz-Bainski

    Jetzt wird mit dem Schweissbrenner abgerissen. Stand 15.10.2020. Wie passt das dazu das die Kugeln Baudenkmäler sind ? 😤🤬

  2. Detlef

    Hallo Phil,

    schöne Bilder, besonders die Nietungen und die Loslager sind Maschinen- bzw. Anlagenbautechnisch sehr interessant!

    Gruß Det

  3. Pingback: Neue Fotos: Kugelgasbehälter | Auferstanden aus Ruinen

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