Restaurant “Schlosshof” (saniert/umgebaut 2012)

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1. Restaurant “Schlosshof”


Dieses Restaurant mit Biergarten wurde “Der Schlosshof” genannt.

Das im Mittelalter “Meierhof”, später “Adelsgut Brodhagen” genannte Gutshaus wurde 1686 gebaut.
Nach 1880 wurde es als Ausflugslokal, im Volksmund “Schlosshof”, bekannt.

Am 21. Dezember erteilte die Stadt Bielefeld der Reichsvereinigung die Genehmigung, die notwendigen baulichen Veränderungen für ein “Jüdisches Umschulungslager” vorzunehmen. Aus der ehemaligen Idylle wurde so ein umzäuntes und im Laufe des Jahres 1942 noch um mehrere Holz- und Steibaracken erweitertes Arbeitslager. 1940/41 wurde auf dem Lagergelände auch ein Alters- und Siechenheim errichtet. “Umschulungslager” oder auch “Arbeitseinsatzstelle” lautete die offizielle Bezeichnung und hatten, laut der offiziellen Version der Nationalsozialisten, die Aufgabe, auswanderungswillige Juden auf die berufliche Situation der neuen Wahlheimat vorzubereiten. Im Bielefelder Lager hat einhelligen Aussagen zufolge eine derartige Umschulung nie stattgefunden. Die Funktion des Lagers war die eines reinen Arbeitslagers. Es wurde angeordnet, beschäftigungslose Juden deutscher Staatsangehörigkeit zum “Arbeitseinsatz” in öffentlichen und privaten Unternehmen heranzuziehen. Der “Schlosshof” wurde die dazugehörige Wohn- und Lebensstätte.

Wie es im Lager ausgesehen hat und welche Veränderungen am Gasthof vorgenommen wurden zeigen Baupläne und Berichte der Lagerinsassen. So etwa wurde der im Erdgeschoss liegende Ballsaal zum Schlafsaal mit “alten primitiven Betten, zwei, drei übereinander, für Männer umfunktioniert. Es gab viele Ratten und das Mauerwerk war nicht dicht, so dass das Wasser, das vom Teich durchsickerte, im Winter manchmal bis unter die Decke stand”. Im Erdgeschoss befanden sich ausserdem noch die Küche, ein Gemeinschaftsspeiseraum, Aufenthaltsräume und das Büro des Lagerleiters. Die Schlafräume der Frauen, Ehepaare und Familien mit kleinen Kindern befanden sich im Obergeschoss.

Während des dreijährigen Bestehens der “Arbeitseinsatzstelle Schlosshof” vom 23. März 1940 bis zum 2. März 1943 haben dort insgesamt 203 jüdische Insassen gelebt. Die durschnittliche Lagerstärke betrug ca. 75 Personen. Das Arbeitslager war nach Ansicht ehemaliger Lagerinsassen nicht mit einem Konzetrationslager zu vergleichen wenn auch ein strenges Regime herrschte und die zugewiesenen Arbeiten, die in keinerlei Beziehung zu den jeweiligen Berufen standen, waren meist sehr schwer. “Arbeitseinsatz” bedeutete täglich 11 Stunden, von morgens 7 bis abends 6 Uhr, und zwar von Montag bis Samstag, arbeiten zu müssen.

Am 3. März 1943 wurden die Insassen in das Konzentrationslager Auschwitz deportiert.
Die Bewohner des Alten- und Siechenheims wurden am 12. Mai 1943 nach Theresienstadt deportiert.
Sie waren die letzten die das Lagergelände verliessen.
Quelle: Buch “Sieben Jahrhunderte jüdisches Leben im Raum Bielefeld”


Seit der Nachkriegszeit wurde das Haus wieder bewohnt, Firmen haben Lagerräume in der dreihundert Jahre alten Hausdeele gepachtet. Der Schloßhof ist in den 80er Jahren ziemlich heruntergekommen. Eine grüne Insel umgeben von neuer Wohnbebauung. Das Anwesen erlebte eine weitere Episode seiner langen Geschichte: diesmal als Schauplatz alternativer Wohn- und Lebenskultur. Von Mai 1996 bis 25. Januar 2010 war es wieder eine Gastätte. Nach der Insolvenz des damaligen Besitzers wurde sie geschlossen und anschließend von der Krombacher Brauerei für 1,14 Millionen Euro ersteigert worden

In den eineinhalb Jahren in denen es jetzt gerade einmal leer stand, wurde das gesamte Gelände enorm von Vandalen zerstört. Es wurden alle Scheiben des Haupthauses eingeworfen, so dass alles mit Brettern vernagelt werden musste. Aber auch die kleinen Nebengebäude wurden quasi komplett zerstört. Es ist wirklich traurig mit anzusehen.

Es wurde viel diskutiert ob das Gelände noch zu retten sei, oder ob es am “günstigsten” wäre einfach alles abzureissen. Dagegen wurde eine Bürgerinitiative ins Leben gerufen. Nach einigem hin und her zwischen dem neuen Investor und der Bürgerinitiative “Aktionsbündniss Schlosshof”, gab es nun eine Einigung zwischen beiden Parteien, was den Erhalt historischer Bausubstanz anbelangt.

  • Der ganze Hauskasten aus Bruchsteinmauer bleibt erhalten, auch am ehemaligen Wohnteil des Gutshauses, die Fenster bleiben erkennbar und werden geöffnet;
  • Der Zwischenraum zwischen historischem Gebäude und Neubau wird vergrößert, so dass der alte Schloßhof optisch alleine steht;
  • Das Giebeldreieck wird freigelegt, das historische Fachwerk bleibt erhalten, Fensteröffnungen gibt es nur in den Fachungen;
  • Die Fenstersimse werden vereinheitlicht;
  • Die geplanten Dachgauben werden in der Form nochmal geändert;
  • Der ehemalige Wirtschaftsteil des Gutshauses, später Gastraum, in der Lagerzeit Schlafsaal der Männer, bleibt erhalten;
  • Der ehemalige Speiseraum aus der Lagerzeit wird Küche;
  • Der Betreiber stellt eine Erinnerungstafel an prominenter Stelle im Gastraum auf, die an die Geschichte des NS-Lagers erinnert, zudem solle es eine Broschüre zur Geschichte des Schloßhofs im Lokal geben;
  • Die zu erhaltene Bausubstanz wird rechtlich dauerhaft gesichert durch einen Eintrag ins Grundbuch als so genannte Grunddienstbarkeit.

Quelle: nw-news.de + privat

Im November 2012 ersschien das Buch “Der Schloßhof – Gutshof, Gasthaus, jüdisches Lager”.
(16. Sonderveröffentlichung des Historischen Vereins für die Grafschaft Ravensberg e.V.)

Dieser Band beleuchtet die zahlreichen Facetten, die den Schloßhof zu einem Denkmal und Erinnerungsort in Bielefeld machen. Es geht um die jahrhundertealte Geschichte des Gebäudes ebenso wie um seine Besitzer und Bewohner, um die vielfältigen Nutzungen und Wahrnehmungen in unterschiedlichen Zeiten. Zwölf Beiträge stellen den Schloßhof als landwirtschaftliches Gut, bürgerliches und adeliges Wohnhaus, als Gastwirtschaft, jüdisches Zwangsarbeiterlager und Ort alternativer Kultur vor. Nicht zuletzt sind auch der Beinahe-Verlust des ehemaligen Gutshauses, seine Rettung und der neuerliche Umbau zur Gastwirtschaft Themen dieses reich illustrierten Buches.
Zu beziehen ist das Buch über den Bielefelder TPK-Regionalverlag.

Eigentlich sollte der Schlosshof im Frühjahr 2012 unter dem Namen „Finca“ wieder eröffnen. Ob das klappt, ist aber nicht sicher. Man sei jetzt dabei die Pläne für das Haus zu bearbeiten um die Gaststätte im Laufe des Sommers 2012 wieder zu eröffnen.
Quelle: Radio Bielefeld

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Update No1: Abriss

Der Umbau des Schlosshofs steht in den Startlöchern. Ein Bauzaun ist schon aufgestellt worden. Im Sommer 2012 soll eröffnet werden. Und trotz ersichtlichem äußerlichen Verfall sei der Schlosshof geeignet. “Wir geben viel Geld für den Hausmeister aus, damit es nicht schlimmer wird” heisst es in der NW. Wahrscheinlich wird das Lokal demnächst “Bar Celona Finca” heißen – wie die Betriebe des Unternehmens in anderen Städten.

• Im Schlosshof wird es – wegen der Bedeutung der Immobilie für die Stadt Bielefeld – einen Raum geben, der die Geschichte des Schlosshofs dokumentiert.

• Historiker Martin Decker vom Aktionsbündnis Schlosshof wird die Informationen für das Mini-Museum zusammenstellen, unter anderem über die Zeit, als die Nazis dort Juden zwangsweise unterbrachten und arbeiten ließen, bevor sie sie deportierten.

• Das Aktionsbündnis bringt außerdem ein Buch über den Schlosshof heraus. Zehn Autoren schrieben über die unterschiedlichen Epochen des Hauses. Das Buch soll zur Wiedereröffnung im Spätsommer erscheinen.
Quelle: nw-news.de + nw-news.de

Die ersten Anzeichen des Umbaus sind sichtbar. Die wuchernde Vegetation um das Restaurant wird entfernt. Seit der vergangenen Woche laufen die Umbauarbeiten an der Bielefelder Traditionsgaststätte. Für den Umbau zu einem Restaurant der Celona Gastro Gmbh werden zunächst die umliegenden Anbauten abgerissen. Der zukünftige Betriebsleiter hofft, bereits in einem halben Jahr die ersten Gäste begrüßen zu können. Mehr als zwei Jahre steht der Schloßhof jetzt leer. In Absprache mit dem Aktionsbündnis Schloßhof hatte sich die Celona Gastro Gmbh für ein Restaurierungskonzept des alten Gutshauses aus dem 17. Jahrhundert entschieden. Die Kosten des Umbaus liegen bei rund vier Millionen Euro.
Quelle: www.radiobielefeld.de

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Update No2: Das Ende

Der Schloßhof ist eine Ruine – momentan. Die Abbrucharbeiten haben begonnen. Teilweise ist das Dach abgetragen worden, ebenso Teile des Gemäuers. Doch nach dieser Phase beginnt der Wiederaufbau. Am Ende soll es einen Schloßhof geben, der deutlich näher an der historischen Optik erinnert als das bisherige Gebäude. Das war an einigen Stellen verbaut, an vielen anderen Stellen marode. Mit dem Lokal soll an die Tradition als Ausflugslokal angeknüpft werden. Zugleich ist ein Erinnerungsraum eingeplant für die anderen Nutzungzeiten dieses geschichts-trächtigen Hauses.
Quelle: nw-news.de

[Fotos aus dem Jahr 2011]

7 Antworten auf Restaurant “Schlosshof” (saniert/umgebaut 2012)

  1. Ulrike Nikolai

    Leider konnte ich den Link in der Mail nicht als Bestätigungslink verwenden … der läuft ins Leere …

  2. Ulrike Nikolai

    Wir (bzw. mein Mann als Student) haben in dem Haus Mitte der 70er-Jahre eine Studentenbude bewohnt. Zu der Zeit wohnten in dem Teil vor dem großen Restauranttrakt einige Jugoslawen. Erst viel später – als das “Café und Barcelona” bereits bestand – entdeckten wir dort das Buch über die Geschichte des Hauses und waren sehr erstaunt, was wir alles noch nicht über das Haus wussten. Damals war es eine billige Unterkunft. Die Miete wurde von einer alten Dame direkt in der Nachbarschaft eingezogen. Wie es früher üblich war. Sie saß – auf ihrem Tisch auf einem Teppichstück Patiencen legend – in ihrem Stübchen, zog das Geld in bar ein und trug einem die Quittung in einem Oktavheftchen ein.
    Der Teich trat bei Gewitter schon mal über die Ufer, einmal sogar so weit, dass unser vor dem Haus geparktes Auto im Wasser stand. Ein unvergessliches Erlebnis! Wir erinnern uns noch an den ständig unter Wasser stehenden Keller, in dem die Wasserratten hausten. Gut, dass die Studentenbude in der ersten Etage war – mit “exklusivem Blick” auf den Schlosshofteich. 1976 zogen wir dann um. Und vergaßen das Gemäuer. Bis wir es 2013 wiederentdeckten – in völlig neuem Gewand. Was für eine Überraschung!

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  5. mulle

    Hab ich alles überhaupt nicht gewusst, bin da nur ab und zu mal zum Essen gewesen. Danke für den Hinweis, das ist wirklich eine Schande, was aus dem Anwesen geworden ist, das war mal so schön da…(Abgesehen von dem Gestank vom Teich, manchmal)

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